Einsichtnahme Untersuchungsbericht Sedimentprobe Stienitzsee

wir möchten CEMEX an dieser Stelle nochmals für die freiwillige Untersuchung des Sediments im Stienitzsee danken. Vor dem Hintergrund der 1990 gefunden PCB Belastung war uns das sehr wichtig, dem Landesumweltamt erschien es nicht wichtig genug um es im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) des aktuellen Änderungsantrags einzufordern. Bei der Probennahme konnten wir sogar selbst anwesend sein. Die Ergebnisse der Untersuchung dieser Beprobung konnten wir jetzt bei CEMEX einsehen.
Lesen Sie hier unsere Auswertung dazu:

Die genaue Kenntnis der „Gewässersedimenterkundung Großer und Kleiner Stienitzsee“, Bericht Nr. 0/14/90 vom 2.12.90 voraussetzend muss es den Leser des Gutachtens vom 19.12.2017 zunächst sehr überraschen, das an den heutigen Abwassereinleitstellen, in deren Abstrom die Sedimentproben BP1 und BP2 in userer Gegenwart von Herrn Maik Pilgram entnommen wurden, keine PCB-Belastung aufwiesen (wenngleich diese Aussage zu relativieren ist, da die Bestimmungsgrenze aufgrund von Matrixstörungen auf < 0,03 mg/kg je Einzelkongenere angehoben werden musste).

Und zwar deshalb überraschen, weil stattdessen in der dritten Sedimentprobe „BP3“ in der Bucht vor unserem Fischer eine PCB-Gesamtkonzentration von sogar 0,70 mg/kg TS festgestellt wurde, das ist fast das 4–fache der 1990 im Bereich der Abwasserausläufe festgestellten Konzentration von 0,18 mg/kg TS!

(Wie auch 1990 wurden die 6 analysierten PCB-Kongenere umgerechnet auf ein PCB- Gesamtgemisch, ebenso wie 1990 und wie in der analysierten Schleie wurden die Kongenere PCB Nr. 28 und 52 nicht gefunden, über der auch in dieser Probe  angehobenen Bestimmungsgrenze lagen die PCB Nr. 138, 153 und 180.)

Der „Kohlenwasserstoff-Index“ lag bei allen 3 Proben um ca. 1 g/kg TS, speziell in Nähe der „Fischfarm“ ist das – selbst nach Abzug der flüchtigeren Anteile (> C10 – C22) – allein für die Fraktion C23 – C40 noch immer gut doppelt so viel wie 1990 dort als IR-Kohlenwasserstoffe mit Tetra aus den Sedimentproben extrahiert wurde:

Auch die damals nachgewiesenen Schwermetallgehalte im Sediment (Cr, Cu, Ni, Zn) lagen bei der Beprobung 2017 in wesentlich höherer Konzentration vor, hier der Vergleich mit der Sedimentprobe BP3 „Bucht Fischerei“ in mg/kg TS:

 

Element              1990      2017      Zunahme auf

Cr                             7,1          75         1056 %

Cu                            8,5          31           365 %

Ni                             7,7          30          390 %

Zn                          34,2       100           292 %

 

Dies alles mag erklären, warum sich die CEMEX-Geschäftsführung bislang scheute diese Umweltinformation der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und stattdessen der Versuchung unterlag, anschließend sinnfreie „Eluatanalysen“ der am 17.04.2018 erbohrten Sedimentschichten (also auf in 24 h beim Überkopfschütteln in Wasser lösliche Mineralölkohlenwasserstoffe und PCB) zu beauftragen.

In dieser „Panik“ wurde aber übersehen, dass 2017 eine andere Fragestellung im Fokus stand als im Jahr 1990, nämlich nicht die Frage der späteren Entsorgungsmöglichkeit des gesamten Seesedimentes (auf Äcker oder Deponien), sondern die Belastung des oberflächlichen Sedimentes hinsichtlich seines Schadstoffpotentials für die Nahrungskette bei Aufnahme durch gründelnde Fische. Folglich war 2017 auch die Probenahme eine ganz andere, es wurden „mittels Van-Veen-Bodengreifer Sedimentproben aus dem Bereich zwischen 0 – 0,1 m unter der Sedimentoberkante genommen.“

Jeder Analytiker weiß, den größten Einfluss auf das Ergebnis einer Analyse hat bei inhomogenen, nicht durchmischten Matrices mit sehr großem Abstand zu allen anderen Einflussfaktoren stets die Art der Probenahme. Um also die Sedimentanalysenwerte von 1990 mit denen von 2017 überhaupt vergleichen zu können, hätte vor allem Art der Probenahme vergleichbar sein müssen!

Entsprechend dem damaligen Untersuchungsziel wurde 1990 das Sediment sowohl an den Abwasser-Einleitstellen als auch an der „Fischfarm“ mittels Kammerbohrer „aus dem jeweils obersten … Sedimentmeter“ beprobt, Zitat:

Dieser Unterschied in der Art der Probenahme erklärt schon allein zwanglos die gefundenen großen Konzentrationsunterschiede im Sediment, wenn man sich vorstellt, dass nur die Oberfläche (0 – 0,1 m) anthropogen belastet ist, weit weniger aber die 0,1 – 1,0 m darunter liegende Sedimentschicht.

Denn geht man in „Abwasser-Havariefällen“, wie sie im Gutachten im Anhang 9 des UVP-Berichtes ja als bekannte Tatsachen geschildert sind aus, so wird jedermann eine oberflächennahe Ablagerung der Schadstoffe im Sediment erwarten, sofern diese nicht wasserlöslich oder aufgrund geringerer Dichte als Wasser längst verdünnt abgeflossen sind.

Aber warum wurden 1990 an der beprobten Abwassereinleitstelle E3/4 (nicht beim Fischer! Der Fischfarm wurden 1990 die nicht auf PCB untersuchten Proben E5/1 bis E5/3 zugeordnet, siehe eingefügtes Originalzitat oben!) dioxinähnliche PCB gefunden, aber 2017 nicht mehr?  

Auch dafür gibt es wahrscheinlich eine ganz einfache Erklärung – wir haben die Proben nicht nur anders als 1990 entnommen, sondern auch noch an einem anderen, falschen Ort!

Dank Google Earth und GPS-Fixpunkten kann man die Veränderungen an den Abwassereinleitstellen bis zum Jahr 2000 zurückverfolgen, siehe Anlage „Vergleich der Probenahmeorte 1990-2017“.

Leider gab es Google Earth 1990 noch nicht, aber wir wissen nun, dass erst etwa 1994 aus Anlass von Abwasserhavarien die Abwasser-Ölrückhaltebecken am Seeufer errichtet wurden – im Zusammenhang damit liegt es auch nahe, dass die Örtlichkeit der Abwassereinleitung etwas verändert wurde. Die im Jahr 2000 noch sichtbaren Reste der in den See ragenden 3 Ölsperren zeugen von solchen Veränderungen, siehe Anlage.

Das Fehlen der PCB-Belastung an den BP1+2 entlastet also nur das Betonwerk als möglichen Einleiter, während das Eingeständnis von Ölhavarien auch noch nach 1990 (im Anhang 9 des UVP-Berichtes) das Zementwerk als wahrscheinlichen Verursacher der PCB-Belastung am BP3 im Bereich des Fischers belastet, weil der BP3 in der Fließrichtung liegt.

Um Klarheit über das Vorliegen einer Altlast von dioxinähnlichen PCB an der Sedimentoberfläche im Bereich der früheren Abwassereinleitstelle des Zementwerkes zu bekommen müssen nochmals westlich von den hier gelb dargestellten Probenorten weitere Proben entnommen werden:

Im Hinblick auf die hier entstehenden neuen Wohngebiete im Wertumfang von über 200 Mio. € und die zu erwartenden Schadensersatzklagen im Falle künftiger Abwasserhavarien wäre auch anzuraten alternativ zur Erhöhung der Gewässerschutzhaftpflichtversicherungsprämien eine weiter stromabwärts liegende und leichter absperrbare Abwassereinleitstelle zu suchen wie den Krienhafen, in den der Tagebau entwässert, vielleicht ist auch dessen kälteres Grundwasser zumindest über eine Zwischenkühler nutzbar eine viel  sinnvollere Alternative zu der praktizierten Produktionsabwassereinleitung in einen fast ruhenden See neben einem Strandbad?

Hier noch die Links zu den zitierten Quellen:

Identifizierung der Probenahmestelle E3 im Bericht von 1990:

G10716 (CEMEX) – Nichtssagende, unvollständige Veröffentlichung des LUGV vom 23. Mai 2017

 

Originalbericht von 1990:

https://www.gesund-am-stienitzsee.de/wp-content/uploads/Bericht-Sedimenterkundung-Stienitzsee-1990.pdf

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