Gefährlicher Unfall im Ortszentrum von Hennickendorf

Nur durch glückliche Umstände gab es bei diesem Unfall keine Tote und Verletzte, als am Vormittag des 06.06.2018 ein ganzer Hänger voller Strohrundballen seine ganze Ladung direkt auf den stark begangenen Fußweg entlang dem Kreisverkehr gegenüber der ehemaligen Gaststätte „Deutsches Haus“ in der Friedrichstraße ausschüttete. Hier zwei Fotos während der schon fortgeschrittenen Aufräumarbeiten nach dem Unfall, die trotzdem noch das Ausmaß der tödlichen Gefahr für die Kinder verdeutlichen, die diesen Schulweg benutzen:

Trotz der Warnung besorgter Eltern und einem Beschluss der Gemeindevertretung Rüdersdorf aus dem Jahr 2016 zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h im Ortszentrum Hennickendorfs ignoriert das Straßenverkehrsamt Strausberg noch immer diese Gefahrenlage und beharrt auf einer zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h.

Hätte diese Ladung Fußgänger auf dem betroffenen ca. 14 m langen Unfallabschnitt ge-troffen, hätten sie kaum eine Überlebenschance gehabt!
Gleich fünf der historischen Stahlbeton-Poller, welche die Fußgänger an dieser Gefahrstelle schützen sollen, wurden durch die Wucht des Aufpralls zerstört und aus ihren Verankerungen gerissen, wie dieses Foto vom nächsten Tag zeigt:

Nach den Gesetzen der Physik ist bei der Kurvenfahrt die Fliehkraft umso stärker, je schärfer eine Kurve ist und je schneller man fährt. Die Zentripetalkraft FZp bei Kurvenfahrt nimmt sogar im Quadrat mit der Geschwindigkeit zu:

FZp = Zentripetalkraft in [N]
v = Geschwindigkeit in [m/s]
m = Masse in [kg]
r = Radius der Kurve in [m]

Auf dem Foto sind mindestens 20 Strohrundballen zu sehen, die je Stück bis 400 kg wiegen (https://de.wikipedia.org/wiki/Ballenpresse_(Landwirtschaft))
Der Radius r des Kreisverkehrs (Straßenmitte) beträgt ca. 11 m.
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt hier immer noch 50 km/h (= 13,9 m/s), weil das Straßenverkehrsamt Strausberg sich weigert, die im Lärmaktionsplan der Gemeinde Rüdersdorf festgelegte Begrenzung auf 30 km/h (= 8,3 m/s) anzuordnen, diese Begrenzung muss deshalb von uns erst noch vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder durchgesetzt werden (Aktenzei-chen VG 2 K 987/18, https://www.gesund-am-stienitzsee.de/klage-eingereicht-fuer-tempo-30-im-ortszentrum-hennickendorf/).

Nach obiger Formel ergibt sich für die Zentripetalkraft:

bei 50 km/h: 400 x 20 x 13,9 x 13,9 / 11 = 140.516 N -> entspricht 14,3 t
bei 30 km/h: 400 x 20 x 8,3 x 8,3 / 11 = 50.101 N -> entspricht 5,1 t

In diesem Rechenbeispiel (20 Ballen a 400 kg) bringt es die Ladung in diesem Rechenbeispiel nur auf eine Gewichtskraft von 8 t, die seitliche Zentripetalkraft beträgt dagegen fast das 1,8 – fache!

Bei so einem Kraftverhältnis helfen weder eine gute Ladungssicherung noch gut haftende Reifen – Fahrzeuge, die mit 50 km/h durch diesen Kreisverkehr fahren müssen je nach Höhe des Schwerpunktes zwangsläufig entweder umfallen oder aus der Kurve getragen werden. Auf der gegenüberliegenden Seite desselben Kreisverkehrs sitzen am Straßenrand in ganz ähnlicher Gefahrenlage die Gäste des „Eisparadies Hennickendorf“ …!

Nun wissen wir nicht, mit welcher Geschwindigkeit der Hänger mit den Strohballen tatsächlich unterwegs war, aber die oben gezeigte Rechnung zeigt, dass selbst schon 30 km/h Angst machende Fliehkräfte entfalten. Leider interessieren sich die für uns zuständigen Straßenverkehrsbehörden nicht für die tatsächliche Gefahrenlage, die sich durch Berechnungen wie oben nachweisen lässt. Ebenso wenig interessieren die gesundheitsgefährdend hohen Lärmpegel, die unsere kontinuierlich registrierenden Lärmmessungen aufzeichnen – am 19.05.2018 um 11:25 ging gerade hier in der Friedrichstraße unsere 4. Lärmmessstelle Hennickendorfs in Betrieb, zu jeder Sekunde wird jede Vorbeifahrt aufgezeichnet, die Messwerte sind von jedermann hier einsehbar: https://www.dfld.de/Mess/Messwerte.php?R=002&S=102

Der Kreisverkehr im Ortszentrum von Hennickendorf stellt auch deshalb eine besondere Gefahrenquelle dar, weil viele Fahrzeugführer nicht wissen, dass sie bei Ausfahrt aus einem Kreisverkehr (der die übergeordnete Hauptstraße darstellt) stets in eine Nebenstraße einbiegen und deshalb hier dem Fußgängerverkehr den Vortritt zu lassen haben, dies sollte durch gekennzeichnete Fußgängerüberwege in 4 – 5 m Abstand vom Eckpunkt des Kreisverkehrs an allen Ausfahrten endlich kenntlich gemacht werden.

In der Gegenrichtung zweigt im spitzen Winkel die Berliner Straße von der Friedrichstraße ab, dadurch wirkt wegen des noch geringeren Radius die Fliehkraft noch stärker, wie z.B. diese Meldung der Hennickendorfer Feuerwehr hier schon 2014 zeigte:
https://www.facebook.com/Ofw.Hennickendorf/posts/597561920332742
Einsatz Nr. 7 / 2014:
Sonntag, 16.02.2014, 19:03 Uhr, Hennickendorf, Berliner Straße 1 / Friedrichstraße, Ver-kehrsunfall, Fahrzeug kommt von Fahrbahn ab und stößt gegen Hauswand, Sicherung der Einsatzstelle und Übergabe einer verletzten Person an den Rettungsdienst, Bergung einer unter dem Fahrzeug eingeklemmten umgefahrenen Straßenlaterne

Aber unser Straßenverkehrsamt sieht in alldem keine Gefahrenlage, einen weiteren Unfall in der Friedrichstraße im Ortszentrum Hennickendorfs erwähnend schreibt es am 27.03.2018 in seinem Widerspruchsbescheid „nach Auswertung des Unfallgeschehens“ verharmlosend: „Lediglich im Jahr 2016 wurde ein Unfall mit Personenschaden registriert, wobei ein Kind von einem PKW erfasst wurde.“

Muss es also erst noch viel mehr nachgewiesene Verletzte oder gar Tote geben, bevor eine offenkundig vorhandene Gefahrenlage als solche „amtlich anerkannt“ wird?

Warum besteht das Straßenverkehrsamt auf zulässige 50 km/h selbst im Kreisverkehr und Kreuzungsbereich, obwohl jedem klar sein müsste, dass es bei Ausnutzung dieser zugelassenen Höchstgeschwindigkeit aufgrund der physikalischer Gesetze mit praktisch 100%iger Wahrscheinlichkeit zu einem Unfall kommen muss?

Und warum beruft sich das Amt auf eine Statistik, die offenbar Unfälle mit „nur“ potentiellem Personenschaden überhaupt nicht erfasst? Denn bis jetzt ist im „Polizeiticker“ auf https://www.strausberg-live.de/polizeiticker.php vom aktuellen Unfall am 6.6.2018 nichts zu lesen, wird er in der Unfallstatistik überhaupt erfasst?

Unser Straßenverkehrsamt sieht in alldem keine Gefahrenlage und will sogar vor dem Verwaltungsgericht darauf beharren, dass unser Ortszentrum weiterhin mit 50 km/h durchfahren werden darf, obwohl der Zeitverlust bei den geforderten 30 km/h im Ortszentrum auf einer 350 m langen Strecke nur theoretisch 17 Sekunden beträgt, in der Praxis (Kreisverkehr, Stopp und Go bei abzweigendem Verkehr, Rücksichtnahme auf Fußgängerquerungen, Bushaltestellen) aber sogar noch geringer ist. Denn es schrieb in seiner Versagung (Schreiben Straßenverkehrsamt MOL vom 18.12.2017, Frau Behrendt) unserem Anwalt:
„In Ihrer Einlassung zum Verfahren selbst unterstellen Sie, dass in der beabsichtigten Versagung nicht auf die Aspekte der Verkehrssicherheit und Erschütterungen eingegangen wird. Das weise ich ausdrücklich zurück.
Bezüglich der Verkehrssicherheit wurde das Unfallgeschehen im Straßenverlauf ausgewertet. Es kann keine besondere Gefahrenlage erkannt bzw. begründet werden.“

Und bezüglich der Lärmbelastungen argumentierte das Amt in Ermanglung belastbarer Verkehrszähldaten für unser Ortszentrum auf andere, nicht nachvollziehbar hergeleitete Daten und einen absurd niedrig unterstellten Anteil von Fahrzeugen > 2,8 t zulässiger Gesamtmasse, um so durch viel zu niedrig berechnete Lärmpegel die Durchsetzung der im Lärmaktionsplan der Gemeinde Rüdersdorf eindeutig festgelegten Maßnahme einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h zu hintertreiben.

Bereits bei der Akteneinsicht der Lärmberechnungen für die Berliner Straße mussten wir die Erfahrung machen, dass die eingesetzte primitive Messtechnik nur wenig aussagefähige Er-gebnisse insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen Fahrzeugarten lieferte und auch die Auswertung stark fehlerhaft war, und zwar stets zum Nachteil der Anwohner. Dies alles gilt es nun vor Gericht aufzuarbeiten.

2018-06-06 Unfall am Kreisverkehr Hennickendorf

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