Lärm-Messfahrt über den Großen Stienitzsee

Veranlassung:

  1. Auch aufgrund des Verkehrslärms am Haus sitze ich oft lieber am See als auf unserer Terrasse, manchmal schlafen wir wegen des Lärms auch unten im Boot. Doch wenn der Straßenverkehr am Abend aufhört, das Gehör empfindlicher wird, denke ich auch auf dem Bootssteg, was ist denn hier los? Klingt dieses Dauerrauschen nicht ähnlich als säße ich wieder wie früher im Chemiekombinat „Leuna-Werke“ in der Nähe einer undichten Rohrbrücke?
  2. Bevor wir in unsere Wohnung umgezogen sind, haben wir 3 Jahre lang in Hennickendorf einige Urlaubstage auf dem Boot im Hafen des MC Stienitzsee verbracht. Auch damals störte uns dort schon das laute Rauschen, es kam über den See vom Industriegebiet in Hennickendorf. Im „Heimathafen“ an den Meisterhäusern empfanden wir die Nächte viel angenehmer – und vorab:
    Dieser Eindruck hat sich heute bestätigt, die Differenz betrug bis zu 9 dB(A)!
    Dort messen wir seit Ende August 2018 den Umgebungslärm, es sollte der von LKW-Vorbeifahrten unbeeinflusste, niedrige Referenzwert sein. Doch überraschend sank am anderen Ufer auch nachts bei Windstille der Lärmpegel nie unter den viel zu hohen Wert von 45 dB(A) – in Wohngebieten sind für ständigen Anlagenlärm nur 40 dB(A) zulässig!

Deshalb wollte ich das warme und windstille Wetter heute nutzen, um durch eine Vergleichsmessung einen vermuteten Störeinfluss durch das Funkmodul auszuschließen. Doch die Messung ist in Ordnung, die in nur ca. 0,5 m über der Wasserfläche gemessenen Werte von 44 -47 dB(A) in Zeile 15 passen dazu recht gut:

Die Farbmarkierungen zeigen auf den ersten Blick, welche großen Unterschiede es mit der Lärmbelastung im Uferbereich gibt!

Das mit Abstand wertvollste Seegrundstück ist demnach das Gelände der Ruinen des Restaurants zum Sprudel, dort ist es trotz Straßenverkehr recht ruhig, hier unten am See wäre sogar gerade noch ruhig genug für ein Kur- oder reines Wohngebiet, ein Krankenhaus oder eine Pflegeanstalt – alle anderen Uferbereiche kommen dafür nicht in Betracht, es ist zu laut.

Auch die benachbarte „Bucht“ neben dem Sprudel ist durch den vorgelagerten bewaldeten Hügel geschützt, so dass die zweitwertvollsten Wassergrundstücke die entlang der Straße „An den Meisterhäusern“ sind. Das gilt natürlich nicht für die weiter oben gelegenen Häuser selbst, die durch den Straßenlärm der L233 wie bekannt sehr stark betroffen sind, sondern nur für den Erholungswert der Wassergrundstücke.

Weiter draußen auf dem See gehen die einzelnen Vorbeifahrgeräusche im allgemeinen Verkehrsrauschen unter, eine Unterscheidung zwischen Anlagenlärmrauschen und Verkehrslärmrauschen ist dann nicht mehr möglich. Das gilt auch am Ufer, wenn durch größeren Abstand zur Straße oder abschirmende Gebäude oder Erdwälle das Geräusch einzelner Fahrzeuge kaum noch hervortritt, der Unterschied zwischen minimalem und maximalem Messwert verschwindet dann – besser wird es dann dort nicht mehr. Umso weiter man sich der B1/B5 und der Fa. Graf auf dem Gelände des ehemaligen Zementwerkes 2 nähert, desto lauter wird es.

Die Fotos der Messorte sind in anliegender Excel-Tabelle verlinkt und können so aus einem gemeinsamen Dateiverzeichnis einfach aufgerufen und zugeornet werden.

Da im Autoland Deutschland der Verkehrslärm deutlich gegenüber dem Industrielärm privilegiert ist und an bestehenden Straßen nachts bis zu 60 dB(A) hingenommen werden müssen, darf man auch dort bauen – aber wer will sich das antun? Überrascht war ich, dass am östlichen Ende des Stienitzsees, das am weitesten von B1/B5 und dem Industriegebiet entfernt, trotz langen Wartens der Messwert nie unter 42 dB(A) fiel. An der Tonhaltigkeit dieses Geräusches ist die Ursache leicht ausgemacht – es ist der unerträgliche Verkehrslärm in unserem Ortszentrum! Wo andere Länder schon über autofreie Städte nachdenken, müssen in Deutschland wir Bürger das Straßenverkehrsamt vor dem Verwaltungsgericht verklagen, weil die Bundesregierung das EU-Recht hinsichtlich der Umsetzung beschlossener Lärmaktionsplanmaßnahmen noch immer nicht in internen Rechtsvorschriften für die Straßenverkehrsbehörden umgesetzt hat – es ist eine Schande! Wir müssen noch Geduld haben, erst ein Jahr Wartezeit seit Klageerhebung ist um und die Gerichte sind überlastet.

Herzliche Grüße

Jürgen Rudorf

Anlagen:

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