Petition für Stationäre Geschwindigkeitskontrollen

Zu Petition Nr. 686/6 – Stationäre Geschwindigkeitskontrollen

Sehr geehrter Herr Wichmann,
Sehr geehrte Damen und Herren des Petitionsausschusses des Landtages Brandenburg,

in Ihrem Antwortschreiben vom 21.12.2016 baten Sie um Mitteilung, wenn geforderte stationäre Geschwindigkeitskontrollen verweigert wurden, Zitat:

„Soweit Sie in Ihrer Zuschrift vom 25. August 2016 beklagt haben, dass im Rahmen von Lärmberechnungen die angeordneten Höchstgeschwindigkeiten und nicht die tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten herangezogen werden, muss Ihnen der Petitionsausschuss mitteilen, dass er diese Vorgehensweise für richtig erachtet, da die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen unter anderem gerade auch ein vom Gesetz vorgesehenes Mittel dafür ist, Lärmbelastungen zu verringern. Deshalb kann auf verkehrswidrige Verhaltensweisen vielmehr grundsätzlich nur mit Geschwindigkeitskontrollen und Ahndung von Verstößen reagiert werden, um das mit der Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen verfolgte Ziel auch zu erreichen. Sollten Sie an dieser Stelle ein weiteres Tätigwerden des Petitionsausschusses wünschen, bittet er Sie um Übersendung von Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass Anträge von Ihnen auf Installierung einer stationären Messanlage bisher abgelehnt worden sind.

Leider ist u.E. die Ablehnung der Installation von stationären Messanlagen im Land Brandenburg der Regelfall. Als Begründung werden hohe Kosten genannt, und wenn die von Verkehrslärm gepeinigten Anwohner bereit sind die Kosten selbst zu tragen, dann wird auf die Zuständigkeit des Straßenverkehrsamtes Strausberg verwiesen, auch die Gemeinde Rüdersdorf sei nicht befugt selbst Geschwindigkeitskontrollen durchzuführen, weder durch fest installierte Anlagen noch durch eigene Kräfte des Ordnungsamtes. Schlimmer noch ist, dass auch das Straßenverkehrsamt (SVA) Strausberg sich nicht befugt sieht, nur aus Gründen des Lärmschutzes Geschwindigkeitskontrollen durchzuführen. So schrieb das SVA Strausberg in seiner Stellungnahme vom 04.07.2014 zum Lärmaktionsplan der Gemeinde Rüdersdorf – sicher auch zutreffend für das ganze Land BRANDENBURG –, Zitat:

„Die Überwachung von Geschwindigkeitsbegrenzungen aus Gründen des Lärmschutzes darf durch den Landkreis nicht erfolgen. Hier ist nur die Polizei zuständig. Eine entsprechende Änderung der Passage im Ordnungsbehördengesetz wurde durch den Landkreis bereits vor 3 Jahren angeregt. Leider ist bis jetzt noch keine Einigung zwischen dem MI und dem MIL, als zuständige Fachministerien, erfolgt.“

Dieses Behördenversagen durch Organisationsverschulden halten wir für einen Skandal, hat denn die Polizei in Zeiten der Terrorbekämpfung nicht Wichtigeres zu tun als den Kommunen die Überwachung von festgelegten Geschwindigkeitsbegrenzungen „wegzunehmen“?

Hier finden Sie das beanstandete Ordnungsbehördengesetz: http://bravors.brandenburg.de/gesetze/obg_2016

 

Unseres Erachtens müsste dort lediglich die Aufzählung in § 23 ergänzt werden um § 78 Absatz (2) des Brandenburgischen Polizeigesetzes – BbgPolG: „Das Polizeipräsidium ist zuständig für die Überwachung des Straßenverkehrs und des Verkehrs auf den schiffbaren Wasserstraßen.“ http://bravors.brandenburg.de/gesetze/bbgpolg_2016

§ 23

Geltung des Brandenburgischen Polizeigesetzes

Folgende Vorschriften des Brandenburgischen Polizeigesetzes gelten entsprechend für die Ordnungsbehörden, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist:

  1. Von den Vorschriften über die Befugnisse der Polizei
    1. 11 mit Ausnahme des Absatzes 3,
    2. 12 mit Ausnahme des Absatzes 1 Nr. 4, 5, 6 und 7,
    3. 14,
    4. 15 mit Ausnahme des Absatzes 1 Nr. 2 und des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 2,
    5. 16,
    6. 17 mit Ausnahme des Absatzes 1 Nr. 4,
    7. § 18 bis 28.

 => + § 78 Absatz (2)

 

Entsprechend Ihrer Bitte füge ich als Anlagen bei:

  • Schreiben des SVA vom 10.11.2014; unter Punkt 3 wird die Errichtung von stationären Messanlagen abgelehnt, dieser Ablehnung ging folgende Forderung vom 13.11.2014 voraus:

Sollten aus personellen Gründen keine regelmäßigen Geschwindigkeitskontrollen möglich sein, so fordern wir eine dauerhafte automatische Geschwindigkeitskontrolle, wer ist hierfür zuständig?

Falls dem höhere Kosten entgegenstehen, würde die Gemeinde sich an den Kosten beteiligen? Würden auch Spenden der Bürger angenommen, um die Geschwindigkeitsüberwachung zu finanzieren? Denn durch die hier in zweiter Reihe sowie die im Wohnpark an Stienitzsee stattgefundene Wohnbebauung hat sich gegenüber dem Jahr 2009 die Anzahl der betroffenen Bürger stark erhöht, sicher nimmt auch der LKW-Verkehr weiter zu (z.B. hat die am Abzweig zur Berliner Straße liegende Fa. Graf eine Genehmigung erhalten, die zusätzlich 1000 t/Tag Transportleistungen an gefährlichen und nichtgefährlichen Abfällen zur Folge haben kann).

  • Eine Statistik über erhebliche starke und massenhafte Geschwindigkeitsüberschreitungen trotz der Geschwindigkeitsbegrenzung auf der A10 im Bereich Birkenwerder.
  • 6 Schreiben, die den vergeblichen Kampf dokumentieren, an der A10 eine Messanlage aufzustellen, welche Polizeipräsident Feuring ursprünglich sogar zusagt haben soll, Zitat aus LS-Schreiben vom 8.5.2013: „Wie der Polizeipräsident, Herr Feuring, mir am heutigen Tage telefonisch bestätigte, wird eine solche Anlage in absehbarer Zeit installiert.“

Welchen Wert haben Lärmberechnungen für 30 bzw. 50 km/h, wenn die hierfür angenommenen Geschwindigkeiten gerade in der Nacht mit der Realität oft nichts mehr zu tun haben? Ohne Verkehrsbeschränkung wird in Ortschaften die einzuhaltende Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h selbst am Tag im Allgemeinen von ca. 70 % der Kfz überschritten:

(Anmerkung: In der Legende sind die Beschriftungen Tempo 50/30 vertauscht. Trotz Tempo 30 fahren nachts 2 + 15 = 17 % Kfz schneller als 50 km/h.)

Auf weniger stark befahrenen Straßen (wie z.B. der Berliner Straße L233 in Hennickendorf) ist die mittlere Geschwindigkeitsüberschreitung oft noch viel höher, dagegen wird sie gerade werktags auf stark befahrenen Hauptstraßen aufgrund von Staus und Ampelregelungen notgedrungen sinken und von viel weniger Fahrzeugen überschritten.

Studien zeigen, dass bei Anordnung einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h – bei fehlenden Geschwindigkeitskontrollen – sich nur ca. 2 % der Fahrzeugführer sich daran halten und nur 12 % langsamer als 35 km/h fahren! Dagegen fahren trotz Tempo 30 nachts 17 % der Fahrzeugführer sogar schneller als 50 km/h.

Angesichts dieser Zahlen ist es eine Farce und Bankrotterklärung der Verkehrspolitik,

  1. Lärm unter der falschen Annahme zu berechnen, die zugelassene Geschwindigkeit würde eingehalten
  2. Zum Lärmschutz angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzungen grundsätzlich nicht durch stationäre Messanlagen zu kontrollieren (kontrolliert wird ausschließlich an Unfallschwerpunkten, Beweis siehe Anlagen)
  3. Straßenverkehrsämtern, Gemeinden und Bürgern die Kontrolle und Anzeige von mit überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Kfz aus Gründen des Lärmschutzes zu verbieten, indem dies nur der personell überlasteten Polizei gestattet wird.

Bei sehr hohen, gesundheitsschädlichen Lärmbelastungen sind deshalb online-Dauerlärmmessungen über ein ganzes Jahr hinweg viel aussagekräftiger als Lärmberechnungen, weil

  • Berechnungsfehler durch falsch angenommene Geschwindigkeiten
  • Berechnungsfehler durch falsch geschätzte LKW-Anteile
  • Berechnungsfehler durch falsch angenommene Verkehrsmengen Tags/Nachts
  • Berechnungsfehler durch falsch oder nicht berücksichtigten Zustand der Fahrbahnoberfläche

entfallen.

Der Vorwurf, Lärmmessungen würden nur für die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Messung gelten und wären deshalb nicht heranzuziehen, kann leicht entkräftet werden, wenn

  • die Lärmmessung fachgerecht und unterbrechungsfrei über das ganze Jahr hinweg erfolgt und
  • die verkehrsbedingte Lärmbelastung mit annähernd 60 dB(A) nachts und 70 dB(A) tags im Mittel so hoch ist, das kurzzeitige Nebengeräusche (starker Sturm, Regen, Hagel, Blätterrauschen) sowie der strenger begrenzte Bau- und Anlagenlärm als Fehlerquelle den höheren Verkehrslärm-Mittelungspegel nicht signifikant beeinflussen kann.

Diese Bedingungen waren für 2016 an 4 Dauermessstellen in der Gemeinde Rüdersdorf erfüllt, die Messung an einem Gebäude an der Berliner Straße lieferte diese Ergebnisse:

Uns liegt ein Gutachten des ALD vor, wonach die Lärmberechnungen des LS fehlerhaft sind, und zwar stets zum Nachteil der betroffenen Anwohner.

(Bei Erreichen bzw. Überschreiten der vom Bundesverwaltungsgericht bisher mit 70/60 dB(A) tags/nachts angenommenen Gesundheitsgefährdungsschwelle wird eine Pflicht zum Einschreiten angenommen. Dabei kann die Straßenverkehrsbehörde noch unter mehreren geeigneten Maßnahmen auswählen. In Luftreinhalte- und Lärmaktionsplänen nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) verbindlich festgesetzte Tempo-30-Anordnungen sind von den Straßenverkehrsbehörden umzusetzen (§§ 47 Abs. 6, 47d Abs. 6 BImSchG), ohne dass straßenverkehrsrechtliche Voraussetzungen von der Straßenverkehrsbehörde noch zu prüfen sind, denn die Prüfung erfolgt in diesem Fall in der Luftreinhalte- bzw. Lärmminderungsplanung.)

Darüber hinaus werden vom Gesetzgeber Lärmspitzen, die einem nachts aus dem Schlaf reißen, nur beim Flug- und Anlagenlärm berücksichtigt, nicht aber beim Verkehrslärm, wo nur berechnete Jahresdurchschnittswerte für die Beurteilung maßgeblich sind.

Diese Privilegierung des Straßenverkehrslärms, die auch in einem im Vergleich zum Anlagenlärm um + 20 dB höheren Grenzwert für bestehende Straßen in Wohngebieten zum Ausdruck kommt (60 dB(A) nachts im Vergleich 40 dB(A) bei Industrieanlagen), ist unerträglich und menschenverachtend.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Rudorf

1.Vorsitzender
Bürgerinitiative GLAS (Gesund Leben am Stienitzsee e.V.)
Web:               http://www.gesund-am-stienitzsee.de/
E-Mail             info@gesund-am-stienitzsee.de
Postanschrift:  15378 Hennickendorf, Friedrichstraße 33
Telefon:          033434 473383
Mobil:             01520 1508195

Dieser Beitrag wurde unter Lärm / Verkehr veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.